TGV

Als die ersten Eisenbahnlinien gebaut wurden, war die Reisegeschwindigkeit im Zug revolutionär. So schnell war man damals unterwegs, dass besorgte Zeitgenossen anregten, man solle die Bahnstrecken mit Holzwänden abschirmen. Das könne verhindern, dass die Passagiere beim Anblick der vorbeifliegenden Landschaft den Verstand verlieren.

Victor Hugo beschrieb 1837 in einem Brief die Wahrnehmung bei seiner ersten Zugfahrt so:

“ Les fleurs du bord du champ
ne sont plus des fleurs,
ce sont des tâches
ou plutôt des raies rouges ou blanches;

plus de point,
tout devient raie;

les blés sont de grandes chevelures jaunes;
les luzernes sont de longues tresses vertes …”

Ich liebe diesen Text (dessen deutsche Übersetzung du auf der Startseite findest). Victor Hugo beschreibt, wie die Landschaften bei der immensen Geschwindigkeit zerfließen und jedes Detail verschwindet. Nur zur Orientierung, die Züge zu dieser Zeit waren wohl kaum schneller als 30 km/h.

Heute sind wir viel höhere Geschwindigkeiten gewöhnt, aber bei meiner ersten Fahrt im französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV konnte ich genau sehen, was Hugo beschreibt. Zwischen Straßburg, Paris und Lyon habe ich in den Jahren 2009 und 2010 das „leere Land“ dokumentiert, in dem es keinen Punkt mehr gibt und alles zu Streifen wird.